Portrait junger Mann und junge Frau, die sich körperlich nahe sind

Kulturgeschichte von Penis und Phallus

  • Penis Gegenstand von Sittengeschichte und Religionswissenschaft
  • Phallus = erigierter Penis
  • Zeichen von Lebenskraft und Macht
  • Emanzipationsbewegung: definierte Penis als Waffe gegen die Frau
  • Tatsächlicher Einstz als Waffe in Kriegsgebieten gegen weibliche Zivilbevölkerung (angeordnete Vergewaltigungen)
  • in Religionen auch als Symbol negativer Macht (z. B. potenter Teufel im Christentum)
  • als schöpferisches Werkzeug und Symbol für Kampfkraft

Kulturgeschichte des Penis - Hintergrund

Eine Kulturgeschichte des Penis ist Teil einer Sittengeschichte und Bestandteil der Religionswissenschaft. Streng genommen geht es um den Phallus, als dem Penis im Erektionszustand. Eine eingehende Betrachtung des Themas würde den zur Verfügung stehenden Platz sprengen, es sei denn, man wäre bereit, eine ganze Bibliothek damit zu füllen. Möglich ist also nur ein Blick auf Einzelaspekte.

Die Statue des nackten David erschaffen von Michelangelo

Symbolik von Penis und Phallus

Der geschichtliche Bogen spannt sich von der vorzeitlichen Symbolik des Phallus als Zeichen von Lebenskraft und Macht bis hin zu den ideologischen Schlachten der Emanzipations-Hochphase, die etwa in den 1970er Jahren anzusetzen ist. Der radikale Feminismus, hier sei nur der Name Mary Daly genannt, identifizierte den Phallus als Ausdruck des zu bekämpfenden Patriarchats, also der männlichen Herrschaft. In der Nachbetrachtung unterschied sich dieser Blickwinkel wenig von der Einstellung eingefleischter Machos - der Mann definiert sich über den Phallus. Ansonsten wäre er ein "Schlappschwanz". Ein "richtiger Mann" nach dieser Definition ist ein Jäger, seine Beute sind Frauen und er erlegt sie mit seiner "Lanze" oder seinem "Speer", beides gängige Umschreibungen für den Phallus. Die extremen Ausprägungen des Feminismus verstehen den Penis genauso - als eine Waffe, die der Mann gegen die Frau richtet und die gesellschaftlich entschärft werden muss.


Der Penis als Waffe

Tatsächlich ist diese Einschätzung nicht völlig von der Hand zu weisen. Die Nutzung des Phallus als Waffe im Sinne der Kriegsführung lässt sich häufig belegen: beispielsweise bei der Besetzung Kuwaits 1991 durch den Irak, 1992 im Jugoslawienkonflikt vorwiegend an muslimischen Frauen, bei den Massakern an der Tutsi-Bevölkerung in Ruanda 1994, während der immer noch andauernden Kämpfe im Kongo (2008). Auf bemerkenswerte Weise scheint sich in diesen Fällen neuzeitliche Machtpolitik mit einer mythischen Ebene zu verbinden - wer die Frauen "besitzt" und demütigt, besitzt und unterwirft das Land.


Penisfixierung der Frau

Penis-Fixierung ist dennoch keineswegs ein rein männliches Attribut. Versteht man eine äußerst erfolgreiche TV-Serie wie "Sex and the City" als Seismometer gesellschaftlicher Befindlichkeiten, dann scheint es in post-feministischen Zeiten zu einer deutlichen weiblichen Penis-Fixierung gekommen zu sein. Anders ist kaum erklärlich, warum die Protagonistinnen dieser Fernsehserie das Wort "Schwanz" für den männlichen Geschlechtsteil gefühlt etwa alle zehn Sekunden verwenden. Aus dieser Eingangsbetrachtung wird für die Kulturgeschichte des Penis ein Faktum deutlich - die Bedeutung des Penis beziehungsweise Phallus hat sich kaum geändert. Geändert hat sich im Laufe der Jahrtausende lediglich dessen Bewertung. Die Meinung, es wäre ein Privileg des ausgehenden feministisch beeinflussten 20. Jahrhunderts, den Phallus mit negativen Vorzeichen zu versehen, ist dennoch falsch.


Bedeutung des Penis und Phallus in Religion und Altertum

Das Christentum mit seinen nicht zu überspielenden sexualfeindlichen - oder zumindest sexual-misstrauischen - Tendenzen erkannte im männlichen Glied immer wieder den körperlichen Ausdruck der menschlichen Misere im Jammertal des irdischen Daseins. Der Teufel wurde entsprechend mit den Attributen der Potenz ausgestattet. Dazu gehören die Bocksbeine ebenso wie der häufig dargestellte Phallus. Ein extremes Beispiel für männliche Phallus-Angst ist der griechische Kirchenvater Origines, der sich selbst in jugendlichem Alter einer "Totaloperation" unterzog.

Schon auf steinzeitlichen Malereien lassen sich Gestalten mit erigiertem Penis finden. Teilweise stellen Linien den ejakulierten Samen dar. Im Zusammenhang mit der Darstellung von Schamanen oder Stammeszauberern muss der Phallus die Bedeutung von Lebenskraft und Macht gehabt haben. Diese beiden Begriffe sind, wie schon oben deutlich gemacht, durchgängig zu registrieren. Da die dargestellten Zeremonien dem Jagderfolg dienten, ist auch der Bedeutungskomplex von "Fruchtbarkeit", "Leben" und "Überleben und Dauern" damit verknüpft. Der Phallus ist, auf der Ebene des Mythos, das schöpferische Werkzeug per se. Wenn der griechische Gott Kronos seinen Vater Uranos mit der Sichel entmannt, vollzieht er die Machtübernahme auf einer ganz fundamentalen körperlichen Ebene.

Der Hinduismus kennt den Linga, das Phallussymbol des Gottes Shiva, als Objekt kultischer Verehrung. Altägyptische Malereien und Reliefs zeigen Gottheiten mit erigiertem Glied. Selbst die altägyptischen Obelisken werden als Phallussymbole interpretiert. Vor allem der Osiriskult war stark mit der Phallussymbolik verbunden. Im antiken Griechenland waren es die Fruchtbarkeitskulte der Demeter und des Dionysos, die hier zu nennen wären. Statuen des Priapos wurden mit Phallus dargestellt, ebenso traten in Komödien Schauspieler mit übergroßen Nachbildungen des erregten Penis auf.

Mit dem Christentum verschwand die Phallusymbolik in den Untergrund des Dämonischen, Nächtlichen oder Teuflischen. Im Gegenzug wurde die männliche Schamregion in der Mode stark betont - die Schamkapsel in der Kleidung der Landsknechte verweist auf die Doppelfunktion des Phallus - er schützt vor Unglück und er symbolisiert Mannes - und daher die Kampfkraft.